In International

Dr. Jona Aravind Dohrmann, Rechtsanwalt,
Herfurth & Partner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hannover

  1. Allgemeine wirtschaftliche Lage in Indien

Seit mehr als 20 Jahren ist Indien in einem Wettstreit mit seinem großen Nachbarn China, wer den größeren Anteil an der globalen Produktion an sich zieht. Wie ungleich dieser Wettkampf war, zeigt sich an der Tatsache, dass der Beitrag der industriellen Produktion am indischen BIP lediglich bei ca. 15% liegt, wohingegen dieser Wert in China stolze 30% aufweist. Eine konventionelle Aufholjagd, was den Produktionsanteil am BIP angeht, wird Indien wohl nicht mehr gewinnen können. Legt man zugrunde, dass jede industrielle Revolution schneller vonstattengeht, als ihre jeweilige Vorgängerin, könnte Indien unter dem Banner einer Industrie 4.0 zur „Digital Factory“ oder digitalen Werkbank der Welt werden. Verbindet man die Ansätze von Industrie 4.0 mit der indischen Investitionsinitiative „Make in India“, könnte Indien Chinas Stand in 20 Jahren überholt haben.

 

  1. Industrie 4.0. in Indien

Analysten sind der Meinung, dass Indien ein paar Schritte unternehmen müsste, um von einer vierten industriellen Revolution zu profitieren. Dazu gehöre zuallererst das Wachstum des Internets der Dinge (Internet of Things = IoT). Zu diesem Zweck sind wiederum eine Förderung von Fachkräften, ein Technologiefortschritt sowie die Investition in Forschung und Entwicklung unabdingbar, damit der lokale Markt wächst.

 

2.1.        Industrie 4.0 als Modell

Während das Internet der Dinge das Rückgrat der Industrie 4.0 ist, muss eine zu schaffende angemessene Datenschutzumgebung das geistige Eigentum sichern helfen. Datenschutzregelungen müssen daher von Anfang an in die neue Architektur einer smarten Fabrikanlage integriert werden. Unterstützt werden müssten die vorgenannten technologischen Ansätze durch eine möglichst frühzeitig an den Universitäten ansetzende Ausbildung im Bereich dieser hochtechnologisierten Produktionsmethode.

Bezüglich der notwendigen Veränderung im Bereich der Produktion wissen sich Indien und Deutschland Seite an Seite, wie man spätestens seit der Teilnahme Indiens als Partnerland an der Hannover Messe 2015 weiß. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen: Deutschland möchte seine Marktführerschaft im Bereich industrieller Produktion wahren, Indien möchte genau eine solch herausgehobene Stellung im Wettstreit mit dem ewigen Widersacher China erst noch erreichen.

 

4.2.        Perspektive für Industrie 4.0

Die Zuwendung zur Industrie 4.0 könnte für den indischen Subkontinent immense Vorteile bergen, wie fortschrittsorientierte Unternehmer immer wieder betonen. Zwar besitzt Indien schon eine herausgehobene Stellung in der Produktion dank seines Binnenmarktes. Jedoch ist der Weltmarkt einem raschen Wechsel unterworfen, bei dem die Lebenszeit der Produkte immer kürzeren Zyklen folgt und sich die Arbeitskosten, die Ansprüche an Qualität sowie an die Individualität des Produkts rapide wandeln. Daher benötigt Indien smarte Lösungen, um die Produktion im Land zu halten bzw. verloren gegangene wieder aus noch billiger produzierenden Ländern zurückzugewinnen. Denn immerhin sind 40% der weltweiten Produktion in den Schwellenländern verankert.

Pierre Leretz, Vorstandsvorsitzender der ABB Process Automation India, Middle East and Africa sieht in Industrie 4.0 ein großes Potential, da sich die Entwicklung in der von ihm betreuten Region überschlägt, was die Entwicklung von Infrastruktur in den Städten und in der Industrie selbst angeht. Dies sei ein fruchtbarer Nährboden für intelligente Industrien.  Mit der Verfolgung einer Strategie zur Implementierung von Industrie 4.0 könnte Indien zudem den Trend von einer produktions- zu einer serviceorientierten Gesellschaft zu seinem eigenen Vorteil nutzen. Indische Unternehmer nehmen sehr wohl wahr, dass etwa die deutschen Automobilhersteller ca. 50 % ihres Umsatzes aus den sog. Aftersales Services generieren.

 

  1. Umfeld für Investitionen

3.1.        Wirtschaftliches Umfeld

Der Anteil der indischen Produktion von ca. 15% am BIP bedeutet im globalen Kontext einen Anteil von lediglich 2%. Dieser Sektor bietet knapp 60 Millionen Menschen eine Arbeit, welches 12% der Arbeitskräfte weltweit in diesem Bereich sind. Allerdings sieht sich der indische Staat vor die Herausforderung gestellt, wie in den nächsten 15 Jahren ca. 250 Millionen Menschen in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen.

Indien hat einerseits eine leistungsfähige Industrie aufgebaut, insbesondere im Bereich IT, andererseits ist seine Wirtschaft nicht in der Breite wettbewerbsfähig und ein großer Anteil an der Bevölkerung lebt in unzureichenden Verhältnissen. Als eines der größten Hindernisse für eine schnelle Entwicklung wird die noch immer ausgeprägte Bürokratie und ein Protektionismus zugunsten der einheimischen Bevölkerung und Mitbewerber angesehen.

Zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes sind riesige Umwälzungen in der Produktionslandschaft notwendig, was Investitionen, Infrastruktur und Technologie angeht.

Unter dem Banner der neuen “Make in India”- Initiative möchte die indische Regierung ihren “Produktions-Fußabdruck” deutlich vergrößern. Neben den üblichen Zielsetzungen wie der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Minimierung von Importen und dem Ausbau von Exporten soll nicht zuletzt eine der technischen Evolution zuträgliche Umgebung geschaffen werden. Auch wenn im indischen Kontext momentan mehr Fragen als Antworten vorhanden sind, beschäftigen sich immer mehr Unternehmen in Indien mit den Fragen der Industrie 4.0 und begreifen die jüngste und bevorstehende industrielle Revolution als Chance für den indischen Markt, wenn Unternehmen und die Glieder einer Wertschöpfungskette die Vorzüge dieser Entwicklung begreifen und sich den neuen Herausforderungen stellen. Frost & Sullivan, die gemeinsam mit ihren Kunden Wachstumsstrategien entwickeln, sehen ein großes Potential in den Möglichkeiten der Industrie 4.0. Dazu müssten aber Zulieferer ihre Prozesse neu definieren, Unternehmen mit neuartigen Ansätzen hätten eine Chance, sich auf dem sich neu entwickelnden Markt zu etablieren, andere Unternehmen würden vermutlich den Wandel nicht überleben. Die Wachstumsstrategen sind der Ansicht, dass Industrie 4.0 zwar deutscher Herkunft ist, jedoch einen weltweiten Widerhall gefunden hat – auch in Indien. Sie sind der Ansicht, dass Industrie 4.0 ein integraler Bestandteil der Debatte um die Wirtschaftsinitiative „Make in India“ werden muss, wenn Indien mit als Industriestandort an internationale Standards und Exzellenz anknüpfen will.

 

3.2.        Indien und die HANNOVER MESSE 2015

Auf der HANNOVER MESSE 2015 ist es Indien mit einem frischen Auftritt im Rahmen seiner „Make in India“-Initiative gelungen, sich eindrucksvoll als aufstrebende Industrienation darzustellen, wie Dr. Jochen Köckler, Vorstand Deutsche Messe AG, lobte.

So könnte der positive Eindruck, den der indische Auftritt auf der HANNOVER MESSE 2015 hinterlassen hat, in Verbindung mit der deutschen Industrie 4.0 -Initiative genau den Nerv in Indien treffen, den das Land benötigt, um den Sprung von einer zwar aufstrebenden, jedoch ins Hintertreffen geratenen Industrienation zu einer führenden Wirtschaftsmacht mit innovativen Technologien zu schaffen.

 

  1. Weitere rechtliche Informationen

Weitere Informationen zu den Themen

  • Arbeitsrecht,
  • Schutz geistigen Eigentums,
  • Datenschutz,
  • Datensicherheit,
  • Datenherrschaft und Datenverwendung,
  • Produkthaftung und Produktsicherheit,
  • Normenwesen und Zertifizierung

enthält die Publikation „Industrie 4.0 im Rechtsrahmen“,
Caston Report, Hannover 2016, www.caston.info.